Christoph Schlingensief, Wien, 1998. Ball des schlechten Geschmacks. Würstelstand am Burgring, am Weg zwischen Opernball und Ball des schlechten Geschmacks © Peter Rigaud
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Irm Hermann: Von der Berliner Republik bis Mea Culpa
1987 bin ich Christoph Schlingensief zum ersten Mal begegnet, als er mich für seinen Film Schafe in Wales engagierte. Damals war er noch ziemlich unbekannt und auf den ersten Blick wirkte er auf mich wie ein gut aussehender, bürgerlicher junger Mann mit Manieren, der Wunschtraum jeder Schwiegermutter. Hinter dieser bürgerlichen Fassade steckte allerdings ein großer Verführer, der mich mit seinem überwältigenden Charme zu den verrücktesten Selbstentäußerungen trieb, wie ich es seit meiner Zeit mit Rainer Werner Fassbinder nicht mehr erlebt hatte. Nach Fassbinder, mit dem ich einen prägenden Lebensabschnitt von 1966 bis zu seinem Tod im Juni 1981 zusammen war und dem ich meine ganz persönliche „Education sentimentale“ in künstlerischer wie persönlicher Hinsicht verdanke, zog mich die Arbeit mit Christoph in der Folge in einen ähnlich faszinierenden Sog aus Lust, Angst und Neugier. mehr…
Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir
Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir. Bühneninstallation des Fluxus-Oratoriums von Christoph
Schlingensief im Deutschen Pavillon, Altaransicht mit Filmprojektion
Foto: (c) Roman Mensing, artdoc.de
Kirche der Angst, Deutscher Pavillon
Schlingensiefs Operndorf in Afrika: Ein „Dorfgespräch“ am Deutschen Pavillon
Christoph Schlingensief hat leidenschaftlich seine Idee eines Operndorfes in Burkina Faso verfolgt. Er stellte es sich als „soziale Plastik“ vor, als Ort der Begegnung und des Austauschs. Das Goethe-Institut hat Schlingensief bei diesem Projekt von Anfang an unterstützt und engagiert sich auch weiter für dessen Aufbau. Im März hat es die Reihe „Dorfgespräche“ in Ouagadougou begonnen: Workshops und Diskussionen sowohl in Afrika als auch Europa sollen die Verwirklichung des Operndorfs durch kreative Impulse unterstützen und den inner-afrikanischen Austausch fördern. Am 2. Juni findet am Deutschen Pavillon nun das zweite Gespräch statt. Teilnehmen werden voraussichtlich Aino Laberenz, Susanne Gaensheimer, Francis Kéré, Chris Dercon und Simon Njami.
Via Intolleranza II
Die vorerst letzte Vorstellung von „Via Intolleranza II“ in München fand schon ohne Christoph Schlingensief statt, der krankheitshalber vorzeitig abreisen musste, und sie hat gezeigt: Es geht – leider – sogar ohne ihn. 90 konzentrierte Minuten über die kolonialen Zustände in allen Köpfen, Schlingensief und sein Team ebenso eingeschlossen wie die netten Afrikaner, die in Europa auch nur einen Agenten und Karriere suchen. Die Folie dafür sind ein paar Erinnerungszitate an Nonos „Intolleranza“, engagierte Opernavantgarde aus fernen Zeiten, da man noch genau wusste, wo Moral und Fortschritt marschieren. Die Debatte ist so gordisch wie ergiebig, und nachdem die Dilemmata in einer dichten Performance mehrfach in ihrer Ausweglosigkeit aufgerichtet, gewendet und wieder kollabiert sind, ist ein afrikanisches Bayreuth fast schon die logische Konsequenz. Am Ende sitzt das Schlingensief-Double hinter einer Scheibe, von einer Filmknister-Projektion umrauscht, klopft vorsichtig ans Glas und stellt die gute alte Vergeblichkeitsfrage aller Kunst-Kasper: „Schon wieder so eine komische Kunstaktion. Ist da wer?“ Achtung: Dies ist keine Schlingensief-Hommage, sondern eine bemerkenswerte Inszenierung!
Franz Wille
Eine Produktion der Festspielhaus Afrika gGmbH in Koproduktion mit Kampnagel Hamburg, dem Kunstenfestivaldesarts Brüssel und der Bayerischen Staatsoper München. In Kooperation mit dem Burgtheater Wien, Impulstanz und den Wiener Festwochen Uraufführung 15 Mai 2010
Interdisziplinäres Symposium: Der Gesamtkünstler Christoph Schlingensief
Vom 6. bis 10. April 2011 veranstaltet das Elfriede-Jelinek-Forschungszentrum in Kooperation mit der Kunsthalle Wien und Thyssen-Bornemisza Art Contemporary das interdisziplinäre Symposium Der Gesamtkünstler Christoph Schlingensief.
Innerhalb des Symposiums werden Schlingensiefs künstlerischer Anspruch und theatrale Ästhetik sowie die Form seiner Arbeiten, die Vernetzung der Künste und die dadurch entstehenden medialen Verdichtungen und Kollisionen diskutiert.
Weitere Informationen zum Programm wie zum Veranstaltungsort erfahren Sie unter https://www.elfriede-jelinek-forschungszentrum.com/veranstaltungen/schlingensief-symposium-2011/.